Mitarbeiterinnen eines Großunternehmens helfen Geflüchteten, Hürden bei der Jobsuche zu überwinden
Geflüchtete Menschen sind oft sehr motiviert, sich in der neuen Gesellschaft zu integrieren und anzukommen. Der Prozess der Integration gestaltet sich jedoch nicht immer einfach, ist mit Stolpersteinen und herausfordernden Erfahrungen verbunden. Besonders betroffen ist der Bereich der beruflichen Integration.
Sowohl Akademiker*innen als auch Nicht-Qualifizierte starten in der neuen Umgebung neu und wollen schnellstmöglich selbstständig werden. Viele Geflüchtete bringen jahrelange Berufserfahrung und hohe Fachkompetenz mit und rechnen mit einem schnellen Einstieg und beruflicher Weiterentwicklung. Jedoch herrscht in vielen Firmen trotz des Fachkräftemangels hohe Skepsis gegenüber ausländischen Abschlüssen und Qualifikationen. Dies ist nur eine der vielen weiteren bestehenden Hürden auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Schwierigkeiten bereiten auch die Komplexität des Bewerbungsverfahrens und die Anforderungen der Arbeitsstellen.
Im Tandem-Programm „Berufspatenschaft offensiv“ der Freiwilligen-Agentur Halle wurden arbeitsuchende Geflüchtete mit ehrenamtlichen Berufspatinnen und Berufspaten für einen befristeten Zeitraum von 3 Monaten zusammengebracht. Gemeinsam wurden die nächsten Schritte auf dem Weg der Jobsuche geplant – Sichtung der Bewerbungsunterlagen, Praktikums- oder Stellensuche – und im Bewerbungsprozess, beispielsweise in der Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch.
Geflüchtete konnten im Tandem-Programm gemeinsam mit ihren Berufspaten an thematischen Veranstaltungen rund um das Thema „Bewerbung“ teilnehmen. Bei der fachlichen Gestaltung und Umsetzung dieser Veranstaltungen unterstützten sie im Programm engagierte Mitarbeiterinnen eines Großunternehmens der Region Halle-Leipzig aus der Abteilung Personal. Die Fachfrauen haben täglich mit dem Thema „Bewerbung“ und „Vorstellungsgespräch“ zu tun und konnten im Rahmen verschiedener ehrenamtlicher
Einsätze im Tandem-Programm, Geflüchtete beraten und sehr motiviert unterstützen. So konzipierten sie einen vierstündigen Workshop zum Thema „Bewerbung und Vorstellungsgespräch“ und führten diesen mit einer großen Gruppe geflüchteter Männer und Frauen durch. Es wurde ein sehr interessanter und hilfreicher Austausch. Viele Fragen konnten professionell beantwortet und Unsicherheiten relativiert werden. „Der Workshop hat mir sehr viel gebracht!“ – äußerte sich ein Teilnehmer anschließend. Der Vortrag zum Thema „Online-Bewerbung“ wurde ebenfalls sehr gut angenommen und war ein weiteres positives und impulsreiches Erlebnis für alle Beteiligten.
Wir haben mit den Unternehmensmitarbeiterinnen gesprochen und sie nach ihren Engagement-Motiven befragt:
Frage an Ulrike Klitsche-Sowitzki: Sie engagieren sich als Berufspatin im Tandem-Programm „Berufspatenschaft offensiv“ für einen syrischen Französischlehrer. Was finden Sie besonders attraktiv am Tandem-Programm? Wie zeitintensiv ist Ihre Patenschaft? Wie läuft es aktuell und welche Erfahrungen konnten Sie bereits in der Berufspatenschaft sammeln?
Das Programm hat mich angesprochen, weil es sehr gut organisiert ist und ich darüber zielgerichtet helfen kann. Über einen festgelegten Zeitraum unterstütze ich meinen Schützling zum Thema Bewerbung und Berufsfindung. Ca. 2 Stunden pro Woche verwenden wir im Schnitt u.a. für Beratungsgespräche, das Verfassen einer Bewerbung oder die Anerkennungsprüfung der Abschlüsse. Ziel ist eine Tätigkeit im Bereich Bildung & Erziehung, aber wir müssen auch offen für andere Möglichkeiten sein. Diese entstehen meist durch zufällige Gespräche und es ist ein schönes Gefühl, wenn man dann Menschen zusammenbringen kann.
Frage an Anne Burghardt, Claudia Lenze und Claudia Looms: Warum entschlossen Sie sich, den Workshop für Geflüchtete zum Thema „Bewerbung und Vorstellungsgespräch“ ehrenamtlich vorzubereiten und durchzuführen? Wie bewerten Sie die Umsetzung im Nachhinein? Haben Sie im Workshop auch selbst etwas gelernt? Was hat Ihnen Spaß gemacht oder Freude bereitet?
Dank unserer Kollegin Ulrike Klitsche-Sowitzki wurden wir auf das Programm aufmerksam und empfanden es als tolle Gelegenheit, unser Fachwissen auf produktive Weise weiterzugeben. Der Workshop war eine ganz wunderbare Erfahrung. Die Teilnehmer waren interessiert und dankbar – das beste Publikum!
Es war beindruckend, aber auch ein stückweit bedrückend, die Lebensgeschichten dieser Menschen zu hören, die, wie wir, vor dem Krieg ein „ganz normales“ Leben in Syrien lebten.
Das Durchhaltevermögen der Geflüchteten auf jeder Etappe ihres Weges zu ihrem neuen
Leben in Deutschland hat uns sehr imponiert. Wir wussten bislang nicht, wie viele bürokratische und kulturelle Hürden es zu überwinden gilt.
Wir fühlten uns geehrt, ihnen mit unseren Tipps und Materialien zum Bewerbungsvorgang ein kleines Stück dieser Normalität zurückgeben zu können.
Frage an Isabell Isele und Claudia Lenze: Sie haben den Vortrag zum Thema „Online-Bewerbung“ gehalten und Fragen der teilnehmenden Geflüchteten beantwortet. War für Sie etwas überraschend? Hatten Sie das Gefühl, helfen zu können?
Die Teilnehmer des Vortrages haben viele interessante Fragen gestellt, die uns gezeigt haben, dass unsere Tipps praxisnah und hilfreich waren.
Frage an alle: Sie arbeiten in einem großen internationalen Unternehmen, das sich für die Vielfalt und die Unternehmenskultur im Sinne der Diversity einsetzt. Was können Sie persönlich halleschen Unternehmen empfehlen, sich gegenüber Menschen anderer Herkunftsländer als Arbeitgeber zu öffnen?
Aus unserer Erfahrung als Mitarbeiter eines internationalen Konzerns können wir bestätigen, dass kulturelle Vielfalt bereichert. Deshalb können wir lokalen Unternehmen nur empfehlen, offen zu sein für das Kennenlernen von Menschen anderer Kulturen. Unsere Kollegen in den Personalabteilungen sollten mutig sein und die Fachkompetenz der internationalen Bewerber nutzen.
Wir bedanken uns herzlich bei Ulrike Klitsche-Sowitzki, Claudia Lenze, Anne Burghardt, Claudia Looms und Isabell Isele für das tolle Engagement im Rahmen des Tandem-Programms „Berufspatenschaft offensiv“.
Die Berufspatenschaften sind ein Bestandteil des Projektes ARBEITsPLATTE der Stadt Halle (Saale), welches durch das ESF-Bundesprogramm BIWAQ (Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier) gefördert wird.
(Marina Zubchenko-Fritzsche – Projektleiterin BiQ – „Berufsorientierungspaten im Quartier“)
Weitere Informationen zum Projekt „Berufspatenschaft offensiv“ finden Sie hier: http://www.freiwilligen-agentur.de/themen-und-projekte/patenschaften-beleben/berufspatenschaften/